Lernender mit 41 Jahren - und jetzt Chef

Abschalten ist für Andreas Ruepp wichtig. Mit seiner Harley Davidson lässt er Dampf ab (Bild: Caroline Schneider)

Stete berufliche Weiterbildung und Flexibilität machen den Weg frei für nächste Karriereschritte. Das Beispiel des Lastwagenmechanikers Andreas Ruepp, der mit 41 Jahren in die Lehre als Schreiner eintrat und heute eine 30-köpfige Schreinerei führt, ist eindrücklich. Aktuell ist er auf dem Weg zum Projektleiter an der HF Bürgenstock.

Schreinerzeitung - 22. Juli 2017


«Die Hälfte meines Lebens habe ich die Schulbank gedrückt», sagt der gelernte Lastwagenmechaniker Andreas Ruepp. Die Liste seiner Weiterbildungen liest sich wie eine Litanei. Gegen zehn Aus- und Weiterbildungen hat der heutige Geschäftsinhaber der Schreinerei Ruepp AG aus Sarmenstorf AG absolviert. Nach der Lehre entschloss sich der damals 22-Jährige, den Automobildiagnostiker daranzuhängen. Nachdem er den Wind der Weiterbildungen geschnuppert hatte, liess sich der Wissensdurstige nicht mehr vom eingeschlagenen Kurs abbringen. Kurz darauf folgte die Diplomausbildung für Unternehmungsführung beim Schweizerischen Institut für Unternehmungsschulung SIU, dann der Kältemitteltechniker, die Meisterschule im Autogewerbe und die Handelsschule. Während seiner Freizeit half Andreas Ruepp in der Schreinerei seines Schwiegervaters aus, wo auch seine Frau arbeitete. Die Schreinereibranche wurde ihm zusehends vertrauter.

Er wagte mit 41 Jahren einen Neuanfang und lehrte das Schreinerhandwerk von der Pike auf: Andreas Ruepp (Bild: Caroline Schneider).

Vor sieben Jahren bot ihm sein Schwiegervater im Rahmen der Nachfolgeregelung an, in sein Geschäft einzusteigen. Seine Frau war damals bereits Mitglied der Geschäftsleitung. Ruepp stand vor der Wahl: Sollte er auf seinem bisherigen Karriereweg in der Automobilbranche weiter hochklettern oder komplett umsatteln und in den Familienbetrieb einsteigen? Seine Entscheidung reifte schnell. Seinem Schwiegervater antwortete er: «Ich steige ein, unter der Bedingung, dass ich bei dir die Schreinerlehre absolvieren kann.» Denn Ruepp wollte nicht als Unwissender in die Stapfen seines Schwiegervaters treten. Der Deal war geritzt. Ruepp hängte seine Karriere in der Automobilbranche an den Nagel und ging zurück auf Feld eins.

Mit 41 Jahren wurde er Schreinerlehrling. «Als Lernender genoss ich einen Sonderstatus, denn ich konnte mit meiner Chefin in den Ausgang», sagt er augenzwinkernd. Zusammen mit den 16-Jährigen drückte Ruepp die Schulbank. «Ich hätte deren Vater sein können», sagt er über seine Mitschüler. «Aber es hat mir Spass gemacht. Der Generationenaustausch war für mich bereichernd.» Er schlüpfte in die Rolle des Coaches. «Meine Mitschüler mussten lernen, sich zu fokussieren. Die Gefahr der Digitalisierung besteht darin, sich zu verzetteln. Während ich früher bei einer Problemstellung zwei Anlaufstellen hatte, hat man heute mit dem Internet unendlich viele Informationsquellen. Und so lernte ich ihnen die wichtigsten Grundzüge des Zeitmanagements.» Der heute 48-Jährige ist überzeugt: «Die Digitalisierung schenkt keine Zeit, sie frisst Zeit. Und die Schnelllebigkeit produziert Burnouts.»

Die Beziehung zwischen ihm und den Mitschülern war aber nicht einseitig: «Von ihnen habe ich etwas Wichtiges mitgenommen: Die Jungen von heute übernehmen zwar Verantwortung, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Ihr Leben besteht nicht nur aus Arbeiten. Diese Haltung habe ich mehr und mehr in mein eigenes Leben einfliessen lassen.»

Seine spezielle Karriere führte Andreas Ruepp vom Lastwagen-mechaniker bis zum Geschäftsinhaber der Schreinerei Ruepp AG (Bild: Caroline Schneider).

Auf dem Weg zum Projektleiter

Was hat er in all den Weiterbildungen gelernt? Ruepp lacht. «Vor allem eins: Loslassen.» Er sei ein Perfektionist. Bei ihm müsse immer alles ganz genau sein. Doch bei Zeitknappheit ist Perfektionismus der falsche Helfer. Deshalb habe er sich antrainiert, die Fünf auch mal gerade sein zu lassen. Für eine wichtige Veranstaltung im Rahmen seiner Weiterbildung zum Projektleiter, die er momentan an der Höheren Fachschule Bürgenstock absolviert, habe er sich überhaupt nicht vorbereitet. «Und es ist auch so gut gelaufen.» Gedanken an eine nächste Weiterbildung hegt er bereits: «Wenn ich mit dem Projektleiter fertig bin, schwebt mir der Schreinermeister vor.»

Vor einem Jahr hat er zusammen mit seiner Frau das Geschäft übernommen. Die beiden sitzen im selben Büro. Berufs- und Privatleben fliessen nahtlos ineinander. Kein Pulverfass? «Nein, ganz und gar nicht», sagt Ruepp, der den Namen seiner Frau angenommen hat, dezidiert. «Meine Frau und ich sind ein halbes Leben lang zusammen. Wir sind ein eingespieltes Team und diskutieren Probleme so lange, bis sie gelöst sind», erklärt er. Das Rezept, wenn es denn eines gibt: «Manchmal muss man auch nachgeben können.» Die beiden haben eine strikte Regel: «Sobald wir die Bürotür hinter uns schliessen, beginnt unser Familienleben. Dann sind Geschäftsgespräche tabu.»

Auf zwei Rädern zum Ausgleich

In seiner knappen Freizeit schnappt sich Ruepp eines seiner Räder. Ein Mountainbike oder auch mal eine Harley Davidson. «Das ist mein Ventil, um abzuschalten.» Ruepp ist so anspruchslos wie Löwenzahn im Garten. Er träumt nicht von grossen Reisen in die weite Welt. Zum Glücklichsein braucht er wenig. Er sei zufrieden mit dem, was er hat. «Das Wichtigste für mich ist, Zeit mit meiner Familie zu verbringen.»

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