Von der Pflicht zur Chance: Wie die WPK Ihr Unternehmen auf Erfolgskurs bringt

Die werkseigene Produktionskontrolle (WPK) mag auf den ersten Blick wie eine lästige Verpflichtung erscheinen, doch für zahlreiche Schreinerbetriebe entpuppt sie sich als wahres Erfolgsgeheimnis. Die Einführung der WPK bietet weit mehr als nur die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben – sie eröffnet Chancen zur Optimierung von Prozessen, zur Steigerung der Produktqualität und zur langfristigen Kostensenkung. Peter Liechti vom Schweizerischen Institut für Prüfung, Inspektion und Zertifizierung (SIPIZ) durfte in den vergangenen Jahren zahlreiche WPK-Einführungen und -Inspektionen miterleben. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen – mit überraschenden Erkenntnissen.

Fabian Zemp

Autor/in:
Fabian Zemp

Peter, was ist eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) genau?

Eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) dokumentiert die Prozesse während dem Produktionsprozess. Sie stellt sicher, dass die auf den Markt gebrachten Produkte mit den ausgewiesenen Leistungseigenschaften übereinstimmen.

Warum wurde die WPK überhaupt eingeführt? 

Die EU hat vor vielen Jahren analysiert, wie sicherheitsrelevant ein Bauprodukt ist und bei welchen Bauprodukten die Produktion deshalb mittels WPK überwacht werden muss. Seit dem 1. November 2019 gehören Aussentüren/Fenster mit Brandschutz und/oder Freigabefunktion (Türen in Fluchtwegen nach EN 179/1125) zu diesen Produkten. Die EU definierte, dass die Hersteller solcher Produkte eine WPK mit dokumentierten Prozessen einführen und künftig fremdüberwacht sein müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Produkte mit Holz oder Metall hergestellt werden. Mit der positiv abgeschlossenen WPK und dem Zertifikat (Bescheinigung der Leistungsbeständigkeit) kann die Leistungserklärung ausgefüllt werden. Dieses Dokument muss dem Kunden abgegeben werden.

Diese harmonisierte, europäische Norm wurde im Rahmen der bilateralen Abkommen in die Schweizer Gesetzgebung aufgenommen.

Was ist mit Aussentüren ohne Brandschutz- / Freigabefunktion und mit Innentüren?

Reine Aussentüren benötigen ebenfalls eine WPK – jedoch keine fremdüberwachte. Für Türenhersteller heisst das, dass sie nach einer WPK arbeiten und selbstständig ihre Leistungserklärungen ausfüllen müssen. Eine Fremdüberwachung ist jedoch nicht vorgesehen.

Hersteller von Innentüren benötigen zurzeit noch keine WPK.

Wie muss man sich die Einführung einer solchen WPK in einer Schreinerei konkret vorstellen?

Viele Schreiner stellen sich die WPK-Einführung als riesiges Projekt vor. Das ist es in der Praxis aber gar nicht. Es geht darum, dass die Unternehmen ihre betrieblichen Arbeitsprozesse (z.B. Arbeitsvorbereitung, Bestellprozess, Produktion, Kontrollen…) dokumentieren.

Eine mögliche Lösung dazu ist die Online-WPK des VSSM. Mithilfe dieses Tools können die betrieblichen Prozesse einfach dokumentiert werden. Konkret wird für den jeweiligen Prozess beispielsweise beschrieben, wo die dafür notwendigen Dokumente abgelegt sind. Weiter wird dokumentiert, wie die Teilschritte überprüft werden. In der Praxis arbeiten die Betriebe dazu mit einfachen Checklisten oder mit einer Statussteuerung innerhalb des ERP-Systems. Die grösste Herausforderung dabei ist, dass die Prozesse so dokumentiert sind, dass diese nachvollziehbar werden.

Nach der Einführung überprüfen wir seitens SIPIZ (Schweizerisches Institut für Prüfung, Inspektion, Zertifizierung) einmal jährlich, ob die WPK korrekt angewendet wird. Bei allfälligen Mängeln gibt es eine Vereinbarung, bis wann diese behoben werden.

Die WPK ist gesetzlich vorgeschrieben. Als Unternehmer hat man da rasch das Gefühl, man muss sich mit unnötigen Papieren auseinandersetzen. Bietet die WPK für Betriebe, die sie einführen, auch Vorteile und Chancen?

Seit fünf Jahren führe ich jährliche Inspektionen bei Firmen durch, welche die WPK eingeführt haben. Die Rückmeldungen sind bis auf wenige Ausnahmen sehr positiv.  

Die Betriebe sind dankbar, dass sie durch die Einführung der WPK eine Vollständigkeit bei den Produktionsdokumenten erreichten. Genau das ist auch das grosse Geheimnis der WPK. In Betrieben mit eingeführter WPK prüfen die Mitarbeitenden den ausgeführten Prozess selbstständig und reichen intern nur vollständige Dossiers / Dokumente weiter. Dies reicht bis zur Dokumentation der Montage auf der Baustelle. Unternehmer berichten mir, dass ihre Monteure nach der WPK-Einführung ihre Regiearbeiten besser dokumentieren, was zu einem Plus an verrechenbaren Stunden führt.

Die gute Dokumentation betrifft auch den Maschinenpark, beispielsweise hinsichtlich der Wartung. Hier melden Kunden zurück, dass sie seit der WPK-Einführung erkannt haben, welche Betriebsmittel höhere Aufwände generieren, als bisher angenommen. So werden blinde Flecken im Betrieb aufgedeckt.

Ist die WPK somit ein Anstoss, die betrieblichen Prozesse zu verbessern?

Ja. Die Einführung einer WPK wirkt in den Betrieben wie eine Lupe. Die Unternehmen untersuchen ihre Prozesse im Detail - von der Bestellung bis zur Montage.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Betriebe im Rahmen der WPK-Einführung hinterfragen, wie sie ihre Türen konstruieren und welche Schlösser oder Dämmschichtbildner sie im Einsatz haben. Nicht wenige stellen fest, dass sie drei oder vier verschiedene Dämmschichtbildner verwenden. Nach der Analyse folgt die klare Definition eines Prozesses. Daraus resultiert z.B. die Massnahme, dass nach Absprache mit dem Systemgeber nur noch mit einem Dämmschichtbildner (beispielsweise 15mm) gearbeitet wird. Dadurch benötigen die Schreinereien statt vier unterschiedlichen Produkten nur noch eines. Zudem wird die Planung, die Produktion und auch die Montage harmonisiert. Das Resultat liegt auf der Hand: Die Fehlerquelle wird massiv reduziert. Zudem holen Betriebe die Investition in die WPK in Form von Kosteneinsparungen locker wieder raus. Rund die Hälfte der Firmen verwendet die geschärften Prozesse auch für die Produktion von Innentüren.

Die verbesserten Prozesse führen letztlich zu mehr Ertrag, da sich prozessorientierte Schreinereien langfristig als starker Fachbetrieb am Markt positionieren können.

Nicht wenige Kunden sind zudem dankbar, dass einmal im Jahr eine externe Person die Prozesse prüft. Das fordert die Firmen, dass Sie die Dokumente und Unterlagen immer aktuell halten und hinsichtlich ihrer Prozesse fit bleiben.

Klare Prozesse und Checklisten für Teilschritte: Erweckt das bei Mitarbeitenden nicht das Gefühl, man wolle sie überwachen und bevormunden?

Es ist sicher wichtig, dass man von Anfang an die Mitarbeitenden in den Prozess der WPK-Einführung einbezieht. Dabei ist die Betriebsführung gefordert, mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl zu agieren.

Ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter, der ohnehin äusserst exakt arbeitet, wird keine allzu engen Leitplanken brauchen. Falls ein Mitarbeiter beim Zuschnitt jedoch immer mal wieder etwas vergisst, dann kann eine vorgegebene Checkliste zum Abhacken die Zuverlässigkeit dieses Mitarbeitenden auf einfache Art verbessern. Klarere Produktionsprozesse können in dem Sinne auch ein Führungsinstrument darstellen, welches dem entsprechenden Mitarbeiter die nötige Orientierung im Prozess gibt.

Innerhalb der WPK gibt es genügend Spielraum, ein passendes Mass an Prozessvorgaben für das eigene Unternehmen, beziehungsweise Team zu definieren.

Der Mehrwert der WPK scheint nach diesen Ausführungen unbestritten. Inwiefern spielt die Rechtssicherheit für die betroffenen Betriebe eine Rolle?

Die Rechtssicherheit ist sicherlich ebenfalls von Nutzen. Wer als Unternehmer Fenster oder Türen ohne die Einhaltung der geforderten Normen einbaut, hält sich nicht an die geltende Gesetzgebung. Problematisch wird es natürlich erst, wenn etwas passiert. Wurden beispielsweise Flucht- und Paniktüren ohne Nachweis in einem Gebäude eingebaut und es passiert ein Unglück, wird der betroffene Unternehmer mit Sicherheit nicht mehr gut schlafen. Anders sieht es bei Firmen aus, welche die WPK konsequent umsetzen. Solche Unternehmen wissen, dass sie mit ihren Produkten rechtlich auf der sicheren Seite sind.

Man muss gar nicht vom Schlimmsten ausgehen, um einen weiteren Vorteil zu erkennen. Unternehmen, welche die Prozesse nicht klar definiert haben, sind wie schon erwähnt viel anfälliger auf Fehler. Produktionsfehler können später zu Bauschäden führen. Das muss nicht immer gleich ein sicherheitsrelevantes Problem darstellen. Finanziell kann es für Unternehmer jedoch teuer werden, wenn Bauprodukte aufgrund von Konstruktionsfehlern nicht halten, was dem Kunden versprochen wurde.

Inwiefern werden die produzierten Bauprodukte in der Schweiz kontrolliert?

Für die Prüfung von Bauprodukten bis und mit zur Baustelle ist das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) zuständig. Selbstverständlich werden dazu auch Kontrollen durchgeführt.

Dabei gibt es zwei Arten von Kontrollen. Die eine Art sind geplante Kontrollen in Form von Stichproben bei einer vom BBL definierten Auswahl von Produkten.

Die zweite Möglichkeit sind Kontrollen, die auf Anfrage beziehungsweise Hinweis gemacht werden. Dabei melden sich z.B. andere Unternehmer oder eine Behörde beim BBL. Ein Unternehmer, der sich proaktiv meldet, hat in einem solchen Fall oftmals kurz davor einen Auftrag für Aussentüren nicht erhalten. Das BBL prüft den Sachverhalt, um die rechtliche Konformität der Aussentüren/Fenster des entsprechenden Herstellers zu überprüfen.

In beiden Fällen gilt: Haben sich die Betriebe bei der Produktion der Aussentüren nicht an die rechtlichen Vorgaben gehalten, so muss die rechtliche Konformität innerhalb kurzer Frist hergestellt werden. Bis diese rechtliche Konformität erreicht ist, dürfen keine neuen Produkte in Verkehr gebracht werden. Zudem müssen die Betriebe mit zusätzlichen Kosten rechnen, da sie die rechtzeitige WPK-Einführung verpasst haben.

Angenommen, ein Betrieb verzichtet auf die Einführung der WPK. Die bereits genannten Vorteile kann die Firma nicht nutzen. Gibt es weitere Punkte, die ein solcher Betrieb beachten muss?

Die werkseigene Produktionskontrolle gewinnt auch am Markt zunehmend an Bedeutung. Bauleiter sind heute auf das Thema sensibilisiert. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass in der Schweiz vermehrt deutsche Bauleiter arbeiten. Diese haben eine andere Perspektive auf die WPK. In Deutschland ist die WPK seit Jahren etabliert – auch im Bereich der Innentüren. In der EU werden die Hersteller von Brandschutz-Innentüren, im Gegensatz zur Schweiz, sogar zweimal jährlich fremdüberwacht. Für deutsche Bauleiter ist die Einhaltung der WPK deshalb eine Selbstverständlichkeit und sie fordern die Leistungserklärung bei Aussentüren mit Brandschutz und/oder Fähigkeit zur Freigabe ein. Entsprechend bezahlen diese teilweise bereits heute die Rechnungen von Unternehmern nicht, wenn diese ihre Aussentüren nicht rechtskonform liefern. Schliesslich wollen sie sich für einen allfälligen Rechtsfall absichern.

Obschon dies auf den ersten Blick nach einem mühsamen Szenario mit unnötigem Papierkram tönt, unterstütze ich diese konsequente Haltung. Ich habe in der Vergangenheit viele Brandprüfungen gemacht und weiss aus eigener Erfahrung, dass die korrekte Realisierung von brandschutzkonformen Produkten nicht unterschätzt werden darf.

Kannst du Unternehmern noch ein paar Tipps aus der Praxis geben, wie die Einführung der WPK am besten gelingt?

Das Thema WPK sollte von den Unternehmen positiv angepackt werden. Der Fokus muss auf den Chancen liegen, die eine detaillierte Prozessbetrachtung mit sich bringt.

Hinsichtlich des praktischen Vorgehens erachte ich es persönlich als zielführend, dass eine leitende Person, z.B. aus der Produktion, in die Einführung involviert wird. Vielleicht ist die Produktionsleitung die geeignete Person, vielleicht ist es aber auch jemand aus dem Zuschnitt. Diese Person gilt es für das Vorhaben zu gewinnen. Sie muss verstehen, dass es darum geht, die attraktive Arbeit der Türenherstellung im Betrieb aufrechtzuerhalten und zu stärken. Dazu gehört auch, dass der Prozess dokumentiert und im Optimalfall gleich optimiert wird. Wenn Schlüsselpersonen aus der Produktion oder auch der Planung für die Einführung der WPK gewonnen werden, ist es viel einfacher ein ganzes Team dafür zu gewinnen.

Zudem empfehle ich, im Zuge der Einführung, die internen Konstruktionsdetails von Türen zu prüfen. Wie erwähnt stellt sich oft heraus, dass die unterschiedlichen Detaillösungen gar nicht notwendig wären. Durch die Vereinheitlichung wird die Bearbeitung und die Rahmenproduktion der Türen vereinfacht und die Fehlerquote sinkt.

Was möchtest du den Schweizer Schreinerbetrieben abschliessend mit auf den Weg geben?

Es gibt vermehrt Türenhersteller, die in der Schweiz ihre Produkte verkaufen, die Produktion erfolgt jedoch im Ausland. Diese ausländischen Hersteller treten im Schweizer Markt sehr selbstbewusst auf – mitunter, weil sie WPK-konform produzieren. Ich finde es deshalb wichtig, dass sich Schweizer Schreinerbetriebe nicht von solchen ausländischen Mitbewerbern überholen lassen, welche eine WPK – wenn auch im Ausland – bereits eingeführt haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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